Das Internationale Presse Institut (IPI) verurteilte heute nachdrücklich eine dreijährige Gefängnisstrafe auf Bewährung, die über den slowakischen Journalisten Lukáš Milan wegen Verleumdung verhängt worden war.
Das Urteil passt zu den jüngsten Entwicklungen in der Slowakei, die sich nach dem Mord an dem Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak im Februar in einer politischen Krise befindet. Ebenso wie Ján Kuciak, hatte Lukáš Milan zuletzt zu Vorwürfen der Korruption im Zusammenhang mit Politikern der slowakischen SMER (Sozialdemokratische Partei) ermittelt.
Laut Scott Griffen, dem stellvertretenden Direktor des IPI, stellt dies eine Verletzung der internationalen Grundsätze der Meinungsfreiheit dar.
„Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, unter ihnen der UN-Menschenrechtsausschuss und der europäische Gerichtshof für Menschenrechte sind sich einig, dass eine Freiheitsstrafe – auch in Form einer Bewährungsstrafe – kein angemessenes Strafmaß für Verleumdung darstellt“, sagte Griffen. „Urteile wie im Fall von Herr Milan stehen in keinem Verhältnis zur Straftat und laufen Gefahr, eine Einschränkung des Enthüllungsjournalismus in der Slowakei zu bewirken, vor allem wenn man sich den Mord an Ján Kuciak im Februar ins Gedächtnis ruft.“
„Das Urteil sollte nach dem Einspruch aufgehoben werden und auch die slowakischen Gesetze betreffend Verleumdung sollten dringend an die internationalen Standards angepasst werden. Vor allem sollte jede Art der Kriminalisierung von Verleumdung aufgehoben werden.“
Milan untersuchte Bestechungsvorwürfe gegen SMER-Funktionär
Die Anklage bezog sich auf einen Artikel über das slowakische öffentliche Gesundheitswesen, den Milan 2015 für das slowakische Wochenblatt Plus 7 Dní verfasst hatte. In einem Interview mit IPI sagte Milan, dass er für den Artikel mehrere Verträge im staatlichen Gesundheitswesen untersucht hatte, die Pavol Paška, der frühere Parlamentspräsident und prominentes Mitglied der SMER, abgeschlossen hatte.
Milan hatte sich auch mit einem jungen Unternehmer aus der Transportbranche getroffen, der an einem Transportauftrag von Blutplasma für Krankenhäuser interessiert war. Der Unternehmer hatte sich beim Krankenhaus nach den Aufträgen erkundigt, die Angestellten verwiesen ihn jedoch an Pavol Paška, da Paška in dieser Angelegenheit „das Sagen habe“. Laut Aussage des Unternehmers hatte Paška infolgedessen Schmiergelder für die Vergabe des Auftrags verlangt.
Laut dem Unternehmer forderte Paška monatliche Zahlungen in Höhe von 5.000 Euro für die Vergabe des Auftrags an sein Unternehmen.
“Der Unternehmer lehnte den Auftrag ab, da dieser für ihn nicht rentabel gewesen wäre“, sagte Milan im Interview mit IPI.
Die Behauptungen des Unternehmers untermauern die Verleumdungsklage von Paška gegen Milan. Der junge Unternehmer hatte aber verlangt, anonym zu bleiben um sein Geschäft zu schützen. Bisher hat er sich nicht öffentlich zu erkennen gegeben und auch Milan weigert sich weiterhin, seine Identität bekannt zu geben.
Paška selbst bestritt die Bestechungsvorwürfe und behauptete indessen, dass Milans Geschichte seinen Familienbeziehungen und seinem Unternehmen geschadet hätten. Milan zufolge ließe sich aber den Aufzeichnungen entnehmen, dass sich die Lage von Paškas Unternehmen seitdem tatsächlich verbessert hat.
Zudem hielt die slowakische Polizei bisher die Ermittlungen zu den Anschuldigungen gegen Paška zurück. Milan beschreibt diesen Umstand als „normal“ für die Slowakei und führt dies auf die enge Verbindung zwischen Politikern und dem Justizsystem in der Slowakei zurück.
„Paška ist in Košice ein sehr einflussreicher Mann und hat Verbindungen zum Gericht in Košice. In der Slowakei funktioniert das folgendermaßen: Politiker benutzen die Polizei und strafrechtliche Verfolgung gegen ihre Gegner“
Seit dem Mord an Milans Kollegen Ján Kuciak vor ein paar Wochen war der Ärger der slowakischen Bevölkerung über das „korrupte System“ stetig weiter angestiegen.
„Die Polizei schaut weg, wenn es ihnen befohlen wird. Bis zum Mord an Kuciak lief das alles noch im Verborgenen, jetzt wissen die Leute Bescheid“, berichtete Milan.
Dreijährige “Sperre für journalistische Arbeit”
Milans Urteil beinhaltet eine scheinbar absurde Sperre, welche ihm für die nächsten drei Jahre die Ausübung seines Berufs als Journalist verbietet. Für Milan ist jedoch unklar, was genau diese Sperre beinhaltet, denn weder hat er bisher genaue Informationen dazu erhalten, noch findet sich in der slowakischen Gesetzgebung eine Definition des Wortes „Journalismus“. Seit Januar arbeitet Milan als Pressesprecher für die Stadt Žilina.
„Soll ich schweigen, darf ich keine Fragen stellen? Darf ich Bilder auf sozialen Medien hochladen?“ fragte Milan. „All diese Dinge tun Journalisten, darf ich das jetzt nicht mehr? Niemand kann Journalismus definieren.“
Zudem wurde Milan zu entweder 18 Monaten im Gefängnis oder 36 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Strafmaß ist also höher, als es beispielsweise bei Fahrerflucht der Fall wäre.
Milan hat mittlerweile Einspruch gegen das Urteil erhoben, die nächste Gerichtsverhandlung ist für Mai angesetzt.
„Ich werde alle Möglichkeiten ausschöpfen , um zu beweisen, dass ich recht habe“, sagte Milan.
Bis es soweit ist, konzentriert er sich aber zunächst auf seinen neuen Job und sein neugeborenes Kind.
„Ich verbringe lieber Zeit mit meinem Baby, als über das Gefängnis nachzudenken.“
Aus dem Englischen übersetzt von Benedikt Stuck.
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