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Neben der ablehnenden Haltung der polnischen Regierung gegenüber dem kritischen Journalismus steigt der finanzielle Druck auf die kritische Presse. Dies kann speziell bei der Gazeta Wyborcza, der größten polnischen Broadsheet-Tageszeitung in Bezug auf Auflagenzahlen, beobachtet werden. Die Zeitung etabliert sich gegenwärtig als führende kritische Stimme gegenüber der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die seit November 2015 an der Macht ist.

Aus der Sicht der Gazeta Wyborcza ist der finanzielle Druck, der derzeit auf der Zeitung lastet, Teil einer entschlossenen Strategie, die Tageszeitung zu schwächen, um Kritik im Keim zu ersticken.

„Wir sind ein Symbol der Errungenschaften der Dritten Republik – des alten Regimes – etwas, das die derzeitigen Machthaber missachten“, erzählte der stellvertretende Chefredakteur Jaroslaw Kurski dem International Press Institute (Internationales Presseinstitut, IPI) in einem Interview, und bezog sich mit seiner Aussage auf Polens frühere Regierungen.

Die Gazeta Wyborcza ist stark von der Verlagerung der Werbegelder der staatlichen Unternehmen von der kritischen Presse zu rechtsnahen und regierungsfreundlichen Medien betroffen. In den ersten Monaten des Jahres 2016 sanken die Gesamtwerbeeinnahmen der Gazeta Wyborcza um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr, verglichen mit einem durchschnittlichen Rückgang von 5,4 Prozent bei Polens Tageszeitungen, so Schätzungen des Marktforschungsunternehmens Kantar Media.

Diese Zahlen sind ein Spiegel der Reduktion von Werbeausgaben der staatlichen Unternehmen nach dem Sieg der PiS-Partei bei den Parlamentswahlen im Oktober 2015. Im Gegensatz dazu erlebte die Zeitung Gazeta Polska Codziennie, eine regierungsfreundliche Tageszeitung, im selben Zeitraum einen deutlichen Anstieg der Werbegelder von staatlichen Unternehmen.

Für Kurski läuft diese Verlagerung der Werbegelder auf „eine Form der Subvention für regierungsfreundliche Medien“ hinaus.

Ähnlich wie regierungskritische Wochenzeitungen kämpft die Gazeta Wyborcza derzeit mit einem Rückgang an Abonnements durch Ministerien unter der PiS-Regierung. Innerhalb von fünf Monaten, nachdem die Partei an die Macht gekommen war, reduzierte das Ministerium für Nationale Bildung die Anzahl an Abonnements von Printmedien von 16 auf lediglich eines, und die Anzahl der Abonnements digitaler Medien von fünf auf eines, so das Informationsportal Wirtualnemedia.pl.

Die Nachrichtenredaktion der Gazeta Wyborcza in Warschau. Foto: Adam Stępień/Agencja Gazeta.

Laut Kurski könnten auch „weiche Methoden“ im Spiel sein, wenn es um die Senkung der Umsätze geht. Obwohl es keine konkreten Beweise – wie beispielsweise ein E-Mail eines Tankstellenbetreibers an das Personal – gibt, berichteten LeserInnen, dass sie Schwierigkeiten gehabt hätten, die Gazeta Wyborcza an Tankstellen zu finden, die von staatlichen Kraftstoffunternehmen betrieben werden. Ähnliche Bedenken äußerte auch der Herausgeber der polnischen Newsweek, einer regierungskritischen Zeitung, bezüglich der Verfügbarkeit der Zeitungen Newsweek und Gazeta Wyborcza an Tankstellen, die vom Ölkonzern PKN Orlen betrieben werden– an dem der polnische Staat den größten Anteil hat.

Wie auch andere Medienmanager ist Kurski der Ansicht, dass im Zuge dieser Entwicklungen staatliche Ressourcen eingesetzt würden, um regierungskritische Medien mundtot zu machen.

„Die Taktik der Regierung basiert auf der Idee, uns zu ersticken“, sagte er, und verwies dabei auf den Fall von Népszabadság, einer ungarischen oppositionellen Zeitung, die gegen Ende des Jahres 2016 geschlossen wurde. „Auf diesem Wege wird uns auch gesagt: ihr schafft es nicht, ihr seid nicht rentabel, ihr habt keine LeserInnen“.
Dieser Ton spiegelt sich auch in regierungsfreundlichen Medien wider.

„Unser Begräbnis wird alle zwei Wochen angekündigt“, scherzte Kurski.

Die Entwicklungen haben die derzeitigen Schwierigkeiten des Tageszeitungs-Marktes noch verschärft, was die Gazeta Wyborcza dazu zwingt, sich anzupassen und, unter anderem, Personal abzubauen. Im Oktober 2016 verkündete der Besitzer der Zeitung, der polnische Medienkonzern Agora, Massenentlassungen von 135 MitarbeiterInnen (das sind rund 6,8 Prozent des gesamten Personals des Konzerns). Bis Jahresende stieg diese Zahl auf 190, hauptsächlich bei der Gazeta Wyborcza, darunter auch langjährige angestellte JournalistInnen. Anfang des Jahres musste sich die Zeitung von ihren beiden verbliebenen Auslandskorrespondenten in Brüssel und Washington D.C. verabschieden.

Inzwischen hat die Gazeta Wyborcza ihre Unternehmensstrategie geändert, und zwar durch die Einführung einer – von Kurski sogenannten – „Online-Abonnement-Offensive“.

Im Oktober erreichte die Zeitung ihr Ziel von 110.000 Digital-Abonnenten – ein Ziel, das ursprünglich für Ende 2017 angesetzt war. Online-Abonnements übersteigen nun die gesamten Print-Auflagen, die sich Anfang November auf 107.000 beliefen – laut Berechnungen der Seite Wirtualnemedia.pl ist das ein Rückgang von 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Für Kurski ist die Zunahme von Online-Abonnements ein Zeichen der Solidarität der LeserInnen mit der Zeitung in schwierigen Zeiten und ihres anhaltenden Interesses für ihre tägliche Berichterstattung.

„Wir sind eine Flasche Sauerstoff, die die LeserInnen jeden Tag aussaugen“, sagte er.

Die Zentrale der Gazeta Wyborcza in Warschau. Foto: Dawid Żuchowicz/Agencja Gazeta

Verkaufserlöse liegen aktuell über den Werbeeinnahmen. In den ersten drei Quartalen 2017 beliefen sich erstere auf 70 und letztere auf 49 Millionen Zloty, was laut Agoras jüngstem Quartalsbericht, der im November 2017 veröffentlicht wurde, jeweils einem Rückgang von 8,4 und 16,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Umsatzerlöse stiegen vor allem durch die Zunahme von Online-Abonnements, so der Bericht.

Mit Blick in die Zukunft merkte Kurski an, dass Gerichtsverfahren gegen die Gazeta Wyborcza oder ihre JournalistInnen eine weitere Form von Druck auf die Zeitung bedeuten könnten. Zusätzlich zum finanziellen Schaden könnten diese Verfahren eine „abschreckende Wirkung“ auf die Berichterstattung haben, indem JournalistInnen entmutigt würden, über Themen zu schreiben, die für die Behörden nicht erwünscht seien, warnte er.

Seine Bedenken wurden durch die laufende „Reform“ der polnischen Justiz durch die PiS, die auch internationale Besorgnis hervorgerufen hat, noch verstärkt. Kurski sagt: „Wir könnten in Zukunft Fälle verlieren, weil die Justiz nicht mehr unabhängig sein wird“.

Abhängig von der Art und Weise könnte die „Dekonzentration“ der Medien, die die PiS Anfang dieses Jahres ankündigte, auch den Herausgeber der Gazeta Wyborcza hart treffen, ergänzte Kurski. Dieser von der PiS verwendete Begriff bezieht sich auf ein geplantes Gesetz, das den Besitz von privaten Medien, die in Polen betrieben werden, regeln soll – die genauen Kriterien dafür wurden bis jetzt nicht genannt. Während sich die Berichterstattung auf die potentiellen Auswirkungen der Reform auf Medien, die im Besitz von ausländischen Verlagen sind, konzentriert, gibt es auch Spekulationen darüber, dass diese Reform auch auf Unternehmen abzielen könnte, die eine Reihe von Medien betreiben – darunter Agora, eine Mediengruppe, die Zeitschriften, Webseiten und Radiostationen besitzt.

Im Vorfeld einer lang erwarteten Regierungsumbildung, die nun voraussichtlich im Dezember erfolgen wird, hat die PiS die Reform verschoben, aber KritikerInnen fürchten, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder an die Oberfläche gelangen könnte.

„Dies ist die beste und gleichzeitig schlechteste Zeit für uns als Zeitung“, schlussfolgerte Kurski.

Aus dem Englischen übersetzt von Katja Deinhofer.
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