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Polen revidiert Gesetz zur Autorisierung von Interviews

Positive Entwicklung steht im Widerspruch zu generellem Pressefreiheits-Klima im Land

Polen revidiert Gesetz zur Autorisierung von Interviews

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Polnische Gesetzgeber haben Bestimmungen zur „Autorisierung“ von Interviews vereinfacht – den Prozess, bei dem Journalisten das Einverständnis der interviewten Person hinsichtlich des Interviewtextes einholen müssen, bevor er veröffentlicht werden kann.

Dieser Schritt ist Teil einer umfassenden Änderung des Pressegesetzes, welche von der unteren Kammer des polnischen Parlaments am 29. September verabschiedet wurde.

Das Gesetz wurde im Jahre 1984 angenommen, als Rechte und Freiheiten in Polen massiv eingeschränkt waren, und enthielt lange Zeit noch Spuren des Kommunismus. In diesem Zusammenhang ist die Gesetzesänderung ein längst überfälliges Update, welches das polnische Pressegesetz näher an die moderne europäische Praxis heranbringt.

Sobald die Änderungen in Kraft treten – der polnische Senat wird die Änderungen voraussichtlich im Laufe dieses Jahres bestätigen – wird das Veröffentlichen eines Interviewtextes ohne die Zustimmung der befragten Person keine strafrechtlichen Sanktionen mehr nach sich ziehen, sondern lediglich zivilrechtliche Folgen.

Vor der Durchführung eines Interviews müssen Journalisten die befragten Personen immer noch über ihr Recht informieren, die Veröffentlichung ihrer direkt zitierten Aussagen zu genehmigen oder abzulehnen. Die Gesetzesänderung sieht dabei ein Zeitfenster vor, in dem befragte Personen ihre Erlaubnis für die Veröffentlichung des Interviews gewähren können: sechs Stunden für Tageszeitungen und 24 Stunden für Zeitschriften. Sofern die befragte Person dies nicht innerhalb des betreffenden Zeitfensters macht, gilt die Veröffentlichung ihrer Aussagen als genehmigt. Das Gesetz legt fest, dass befragte Personen weder neue Fragen vorschlagen, noch Informationen oder Antworten hinzufügen können. Weiters dürfen sie auch die Reihenfolge, in der die Antworten angeführt werden, nicht ändern.

Mit dieser Änderung wird ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) des Jahres 2011 in die Tat umgesetzt, das im Zuge des Falles Wizerkaniuk gegen Polen gefällt wurde. 2004 erhielt Jerzy Wizerkaniuk, Chefredakteur der lokalen Zeitung Gazeta Kościańska, eine Geldstrafe wegen der Veröffentlichung von wortgetreuen Stellen eines Interviews mit einem hiesigen Parlamentsmitglied, nachdem der Befragte der Zeitung die Erlaubnis verweigerte, die bearbeitete Fassung des Interviews zu veröffentlichen, welche ihm zuvor gezeigt wurde.

In seinem Urteil erachtete der EGMR das Strafverfahren gegen Wizerkaniuk als unangemessen und als Verletzung des Artikels 10 der Europäischen Menschenrechtskommission, der das Recht auf Meinungsfreiheit sichert. Die derzeitigen Bestimmungen laut EGMR hinsichtlich der Autorisierung von Interviews lauten wie folgt:

„[…] the provisions applied in the present case give interviewees carte blanche to prevent a journalist from publishing any interview they regard as embarrassing or unflattering, regardless of how truthful or accurate it is”

Der Gerichtshof sah die strafrechtliche Verfolgung von Wizerkaniuk auch vor allem deshalb als unangemessen an, da in jener Situation auch zivile Mittel gereicht hätten.

Polnische Journalisten betrachten die Änderungen als einen Schritt in die richtige Richtung.

“Die Änderungen verbessern ordnungsgemäß die Beziehungen zwischen Journalisten und den interviewten Personen, die sich bisher noch immer auf das kommunistische Pressesystem stützten“, sagt Jolanta Hajdasz, Leiterin des polnischen Zentrums für Pressefreiheit (CMWP), das an den Verband der polnischen Journalisten (SDP) angeschlossen ist, einer der beiden wichtigsten Journalistenverbände Polens. „Wir sehen die aktuellen Veränderungen für beide Seiten als vorteilhaft“.

“Aus praktischer Sicht ist die bedeutendste Änderung die Einführung fixer Zeitfenster für die Autorisierung von Interviews“, so Michal Potocki, Redakteur der Rubrik „Kommentare und Meinungen“ der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna, die auf Wirtschaft und Rechtsangelegenheiten spezialisiert ist.

Dennoch betonten Journalisten, dass es noch weitreichendere Veränderungen brauche. Zuletzt kamen Stimmen aus Pressekreisen, inklusive der SDP, welche die Notwendigkeit einer Autorisierung – die manche als anachronistische Praxis beschreiben – abgeschafft sehen möchten.

Im weiteren Sinne bedeutet dies, dass die Änderungen zwar eine sehr konkrete, aber auch eingeschränkte Maßnahme zur Förderung der Pressefreiheit in Polen sind. Im Parlament wurde die Änderung des Pressegesetzes mit nahezu einstimmiger Unterstützung aller politischen Parteien übernommen, in einem seltenen Moment der Einigkeit zwischen der Regierung und der Opposition hinsichtlich Medienangelegenheiten.

Gleichzeitig sehen polnische Journalisten aber auch eine gewisse Dissonanz zwischen den Schritten der Umsetzung der Entscheidung des EGMR und dem generellen Klima, das zurzeit die Pressefreiheit in Polen umgibt. Dabei wächst auch die internationale Besorgnis, seit die Partei für Recht und Gerechtigkeit in Polen (PiS) 2015 an die Macht gelangte.

Aus dem Englischen übersetzt von Katja Deinhofer.

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Dieser Artikel ist Teil von IPIs #V4PressFreedom Serie, die Bedrohungen der Pressefreiheit und des unabhängigen Journalismus in den V4-Ländern Polen, Ungarn, der Slowakei und der Tschechischen Republik verfolgt und untersucht.

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