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Beim Lesen der aktuellen Ausgabe der Gazeta Polska, einer rechtsnahen Wochenzeitung in Polen, stoßen LeserInnen auf eine Werbung für ein Lotteriespiel, das vom Mineralölkonzern PKN Orlen finanziert wird – ein Konzern, an dem der polnische Staat den größten Anteil hat. Blättern die LeserInnen ein paar Seiten weiter, erblicken sie eine ganze Werbeseite über PWPW, ein Staatsunternehmen, das offizielle Dokumente wie Pässe und Banknoten herstellt. Des Weiteren enthält diese Ausgabe auch eine Doppelseite über Verteidigung – gefördert von PGZ, einer Holdinggesellschaft, die Polens staatliche Verteidigungsunternehmen vereint. Ein weiterer Artikel erhält finanzielle Unterstützung von Energa, einem der vier großen staatlichen Energiekonzerne in Polen.

Die leuchtenden Logos dieser Unternehmen in der Gazeta Polska sind ein Spiegel der Verlagerung von Werbegeldern durch staatliche Unternehmen in Polens stark polarisiertem Markt der Wochenmagazine, seit die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Oktober 2015 an die Macht kam. Seitdem haben diese Unternehmen vermehrt rechtskonservative regierungsnahe Medien finanziell unterstützt. Regierungskritische Medien sehen sich inzwischen mit rückläufigen Werbeeinnahmen konfrontiert.

Durch diese Verschiebung der Werbegelder floriert Gazeta Polska im Moment, trotz sinkender Umsätze. Die durchschnittliche Auflagenzahl im Jahr 2016 betrug 35.000, fast 5 % weniger als im Jahr davor. Gemäß den Daten des polnischen Landesgerichtsregisters, die von der Website www.press.pl veröffenlicht wurden, stieg der Umsatz beim Verlag der Zeitung, Niezależne Wydawnictwo Polskie, um 70 % und der Reingewinn um 692 %. Während dieses Zeitraums hat sich der Umsatzanteil des Verlags durch Werbeeinnahmen mehr als verdoppelt, auf 58 %, verglichen mit 26 % im Vorjahr.

Andere regierungsnahe Wochenzeitungen haben ebenfalls eine Steigerung der Gesamtwerbeeinnahmen erreicht, seitdem die PiS-Partei regiert. Die polnischen Wochenzeitungen W Sieci (inzwischen umbenannt in Sieci Prawdy) und Do Rzeczy erlebten laut Daten von Kantar Media eine Steigerung der Werbeeinahmen im ersten Halbjahr 2016 um 39 % und um 14 % gegenüber dem Vorjahr. Die Steigerung bei Gazeta Polska betrug 287 %, zugegeben bei einem sehr niedrigen Ausgangsniveau.

In der Zwischenzeit gingen die Gesamtwerbeeinnahmen von Newsweek Polska und Polityka, zwei großen regierungskritischen Wochenzeitungen, um jeweils 8 % und 15 % zurück.

Medienmanager sagen, dass dieser Rückgang direkt mit der plötzlichen Reduzierung von Werbeausgaben der staatlichen Unternehmen zusammenhänge.

“Staatliche Unternehmen platzieren ihre Werbeanzeigen nicht länger in unseren Medien”, erklärte Marc Walder, Geschäftsführer des Schweizer Unternehmens Ringier, der Neuen Zürcher Zeitung im Juni. Als Ringier Axel Springer besitzt das Unternehmen das Nachrichtenmagazin Newsweek Polska sowie auch eine Reihe weiterer Medien in Polen. “Das wird uns mehrere Millionen Euro kosten”, sagte Walder.

Ähnlich ist die Situation beim Nachrichtenmagazin Polityka, das ebenfalls von einem Rückgang von Werbeausgaben von staatlichen Unternehmen betroffen ist, seitdem PiS die Wahlen gewonnen hat. Jetzt bekomme die Zeitung nichts von ihnen, erklärte der Geschäftsführer des Verlags, Piotr Zmelonek, dem International Press Institute (Internationales Presseinstitut, IPI) in einem Interview.

In der Vergangenheit wurde die Förderung von Zeitschriften – inklusive von staatlichen Organisationen gesponserte Bildungsinhalte – aufgrund von objektiven Kriterien, wie beispielsweise der Reichweite einer Publikation, verteilt. Seit der Machtübernahme der PiS würden diese Grundsätze von politischen Kriterien abgelöst, erklärte Zmelonek.

Doch die Zahlen über die Werbeeinnahmen, die von Kantar Media angegeben wurden, würden nur einen Teil der Wahrheit widerspiegeln, ergänzte Zmelonek.

“Gelder von staatlichen Unternehmen werden nun anders bezogen”, sagte er. “Es wurden plötzlich neue Initiativen ins Leben gerufen [von rechtskonservativen Publikationen], die andere Möglichkeiten eröffnen, um finanzielle Mittel von diesen Unternehmen zu erhalten.

Laut Zmelonek werden diese Initiativen – darunter Konferenzen oder Preisverleihungen, die von staatlichen Unternehmen gesponsert werden – als “Vorwand” benutzt, um regierungsnahe Medien mit zusätzlichen finanziellen Mitteln auszustatten. Diese Mittel werden allerdings von Überwachungsorganen nicht miteingerechnet.

Gleichzeitig kämpfen regierungskritische Medien aktuell mit einem Rückgang an Abonnements durch Ministerien. Im letzten Jahr berichtete Wirtualnemedia.pl von einem deutlichen Rückgang an Abonnements durch eine Reihe von Ministerien, seit die PiS an der Macht ist. Betroffen waren die Zeitungen Polityka und Newsweek Polska sowie die Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Beim Ministerium für auswärtige Angelegenheiten sank die Anzahl an Polityka-Abonnements von 33 auf 12 und an Newsweek Polska-Abonnements von 32 auf 8. Beim Umweltministerium reduzierte sich die Zahl jeweils von 14 auf 1 und von 4 auf 1.

Dieser Wandel ist ein Echo der Feindseligkeit einiger PiS-PolitikerInnen, mit der sich der kritische Journalismus derzeit konfrontiert sieht. Im April diesen Jahres forderte PiS-Abgeordneter Andrzej Melak Ministerien dazu auf, die Abonnierung von regierungskritischen Medien einzustellen. Dazu gehören Newsweek Polska und Polityka sowie Gazeta Wyborcza. “Jene, die Polen schaden, sollen keine finanziellen Mittel erhalten”, erzählte er money.pl, einer Finanzinformationswebsite.

Laut Kritikern laufen diese Entwicklungen darauf hinaus, dass staatliche Mittel nur für regierungsfreundliche Medien zur Verfügung stehen, während kritische Stimmen zum Verstummen gebracht werden.

Zmelonek sieht diesen Trend als Teil einer “umfassenderen Strategie, um kritische Medien zu schwächen”. Bei der Zeitschrift Polityka stellten Werbegelder durch staatliche Unternehmen in der Vergangenheit nur einen kleinen Teil der Werbeeinnahmen dar – letztere machen selbst nur rund ein Viertel des Gesamtumsatzes der Zeitschrift aus. Betrachte man lediglich den Abzug von Werbegeldern durch staatliche Unternehmen, so habe diese Entwicklung keine merkliche Auswirkung auf die Leitung der Zeitschrift, sagte Zmelonek. Er ergänzte aber auch, dass sie die derzeitigen Probleme des polnischen Printmedienmarktes, welcher ohnehin mit einem Rückgang der Print-Werbung und sinkenden Umsätzen zu kämpfen habe, verstärke.

“Wenn all diese Einnahmequellen schwinden, wird es insgesamt schwieriger, eine Zeitschrift zu führen”, erklärte er.

Aus dem Englischen übersetzt von Katja Deinhofer.
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