Read in English

Die Diskussion über Medienfreiheit steht in Polen derzeit hinten an. Eine Kabinettsumbildung und internationale Streitigkeiten hatten sich seit Anfang des Jahres ins Rampenlicht gedrängt, vor allem ein umstrittenes, neu erlassenes Erinnerungsgesetz sorgte für Gesprächsstoff und wurde bereits von Israel und den Vereinigten Staaten kritisiert. Trotzdem kann man dieses Jahr mit neuen Entwicklungen im Bereich der Medienfreiheit rechnen, vor allem bei der regionalen Berichterstattung im Vorfeld der anstehenden polnischen Kommunalwahlen im November.

Den politischen Schlusspunkt des Jahres 2017 setzte Mateusz Morawiecki, ehemaliger Leiter der polnischen Ministerien für Finanzen und wirtschaftliche Entwicklung, der Beata Szydło als Premierministerin von Polen ablöste. Die Beförderung von Morawiecki, einem ehemaligen Bankier, der fließend Englisch spricht, sollte das Ansehen Polens im Ausland verbessern, welches im Angesicht des langwierigen Streits mit der EU-Kommission über Polens Rechtsstaatlichkeit gelitten hatte. Das neue Jahr brachte die lang erwartete Umbildung des Kabinetts mit sich, bei der PiS-Hardliner, wie zum Beispiel Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, von Morawiecki ersetzt wurden.

Morawieckis Bemühungen, die PiS als gemäßigte Volkspartei zu präsentieren, haben zuletzt auch Auswirkungen auf die Medien gehabt. Der nationale Rundfunk- und Fernsehrat KRRiT beschloss am 10. Januar, die Geldstrafe von 1,5 Millionen Zloty (356,000 Euro) zurückzunehmen, die er letzten Winter gegen den privaten Sender TVN wegen der Berichterstattung über Proteste im Parlament verhängt hatte.

Auch die geplante “Dekonzentration” der Medien, welche die PiS letztes Jahr angekündigt hatte, scheint auf der Strecke geblieben zu sein. Der Ausdruck „Dekonzentration“, von der PiS geprägt, bezog sich auf ein geplantes Gesetz, welches den Besitz von privaten Medienunternehmen regeln sollte. Obwohl keine Einzelheiten zum Gesetz veröffentlicht wurden, konzentrierte sich die Berichterstattung auf mögliche Folgen für Publikationen von ausländischen, insbesondere deutschen, Verlegern. Im November hatte der stellvertretende Kulturminister Jarosław Sellin angedeutet, dass der Gesetzesentwurf bereits fertig sei, er aber noch „auf eine politische Entscheidung“ zur Umsetzung der Reform warte. Während der darauffolgenden Kabinettsumbildung der Regierung wurde diese Entscheidung aber vorerst vertagt.

In seinem Amt als Premierminister nahm Morawiecki zuletzt Abstand von der geplanten Reform. „Nach meinem Wissen gibt es keine Eile die Reform zur Dekonzentration der Medien umzusetzen“, teilte er am 10. Jänner einem Publikum von Auslandskorrespondenten in Warschau mit, die ihn zu dem Gesetzesentwurf befragt hatten. „Das soll aber nicht heißen, dass sich in dieser Frage gerade nichts tut“ fügte er noch hinzu, ohne Einzelheiten zu nennen.

Das internationale Interesse war zuletzt auf ein neues Erinnerungsgesetz gerichtet, das im Februar verabschiedet wurde. Das Erinnerungsgesetz ist eine Ergänzung zum Gesetz über das Institut des Nationalen Gedenkens aus dem Jahre 1998. Neu an dem Gesetz ist die Einführung einer Haftstrafe von bis zu 3 Jahren, für „Alle, die öffentlich und faktenwidrig die polnische Nation, oder den polnischen Staat, als Komplizen oder Verantwortlichen für die Nazi-Verbrechen beschuldigen, die durch das Dritte Deutsche Reich begangen wurden“. (Während sich das Medieninteresse auf den Zusammenhang des Gesetzes mit dem Holocaust richtete, wiesen Experten darauf hin, dass es das Beschuldigen des polnischen Staates für „andere Verbrechen, unter anderem Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen“ kriminalisiere).

Obwohl das Gesetz besagt, dass es nicht auf “künstlerische und wissenschaftliche Aktivitäten” anwendbar ist, sorgten sich Historiker aufgrund der Unbestimmtheit und des breiten Spielraums, mit dem es formuliert wurde. Neben der Kritik aus Israel meldete sich auch das US-Außenministerium zu Wort, und warnte davor, dass mit Hilfe des Gesetzes die „freie Meinungsäußerung und der akademische Diskurs beeinträchtigt werden könnten“. Trotz dieser Bedenken hatte Polens Präsident Andrzej Duda den Gesetzesentwurf am 6. Februar unterschrieben, schickte ihn aber gleichzeitig auch an den polnischen Verfassungsgerichtshof um einige gesetzliche Klarstellungen vornehmen zu lassen.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes berief sich bereits eine polnische Aktivistengruppe darauf, und erhob Anklage gegen die argentinische Tageszeitung Página 12, die laut ihnen gegen das Gesetz verstoßen hatte. Página 12 ließ verlauten, dass sie bisher keine gerichtliche Benachrichtigung erhalten haben.

Aus dem Englischen übersetzt von Benedikt Stuck.
Weitere Artikel auf Deutsch