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Während dem Lockdown infolge des Covid-19-Ausbruchs stellte die griechische Regierung 20 Millionen Euro für die Medien bereit, damit diese „Bleiben Sie zu Hause” Gesundheitsbotschaften verbreiten konnten. Sie vergab die Verteilung dieser Gelder an ein privates Medienunternehmen und überging damit ihre Verpflichtung, alle vom Staat durchgeführten Transaktionen sowie das Online-Medienregister (in dem Online-Medien registriert werden müssen, um Werbeeinnahmen vom Staat zu erhalten) zu veröffentlichen.

Die Oppositionsparteien protestierten gegen den Mangel an Transparenz, während der parlamentarische Überwachungsbeauftragte Vouliwatch einen FOI-Antrag stellte und einige oppositionelle Medien auf eine Offenlegung drängten. Die Regierung reagierte zunächst mit der Veröffentlichung der Namen, die finanziert worden waren, jedoch ohne die zugewiesenen Beträge.

Unter anderem wurde festgestellt, dass die Liste nicht existierende Nachrichten-Websites enthält. Ein Social-Media-Aufruhr brach aus. Anfang Juli veröffentlichte die Regierung schließlich die so genannte „Petsas-Liste” – benannt nach dem Regierungssprecher Stelios Petsas – mit allen Medien und den zugewiesenen Summen. Die Liste bestätigte, was viele vermuteten: dass die Mittel in einer Art und Weise ausgezahlt worden waren, die sich eng an der Zielsetzung der Regierung orientierte. Regierungskritische Medien erhielten anscheinend weniger als 1 Prozent der Gesamtsumme, während neutrale Medien deutlich weniger erhielten als ihre weniger populären, aber aggressiv regierungsfreundlichen Gegenspieler. Ein besonders lautstarkes regierungsfeindliches Medium wurde gänzlich von der Finanzierung ausgeschlossen.

Die Regierung hat immer noch nicht geklärt, welche Kriterien zur Bestimmung der Begünstigten oder der zugewiesenen Beträge angewandt wurden. Eine zusätzliche FOI-Anfrage an Vouliwatch, die sich nach den genauen Auswahlkriterien erkundigte, blieb bis heute unbeantwortet.

Ein tiefer liegendes Problem

Der Vorfall mit der „Petsas-Liste” ist in seiner Geringschätzung für die Transparenz ziemlich einzigartig. Aber er ist auch ein Hinweis auf ein tieferes und hartnäckigeres Problem.

Die Medien in Griechenland gehören im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu denjenigen, denen die Öffentlichkeit am wenigsten vertraut. Diese Tatsache spiegelt sich jedoch nicht in der anhaltenden internationalen Diskussion über die Herausforderungen wider, mit denen die Medien weltweit konfrontiert sind. Im Gegenteil, es scheint, dass die griechischen Medien im Großen und Ganzen international als akzeptabel für die Standards einer funktionierenden Demokratie angesehen werden. Das ist ein Irrglaube.

Es stimmt, dass die Medien in Griechenland nicht mit offensichtlichen autoritären Interventionen seitens der Regierungen konfrontiert sind (natürlich mit Ausnahme der berüchtigten Regierungsentscheidung im Jahr 2013, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ERT zu schließen), wie das in einigen osteuropäischen Ländern der Fall ist. Aber eine Kombination aus Eigentumsfragen, drastischen Kosten- und Arbeitsplatzkürzungen und einem eigentümlichen – um es milde auszudrücken – Verhältnis zu politischer Macht hat eine zutiefst problematische Medienlandschaft hervorgebracht, in der eine unvoreingenommene, objektive Berichterstattung schwer zu finden ist. Hinzu kommt, dass die Verschlechterung des Mediensektors in Griechenland auf wenig Widerstand stößt, weder von öffentlichen Überwachungsmechanismen, die machtlos sind oder gar nicht existieren, noch von unabhängigen, alternativen Medien, die nur wenige sind und denen es an Unterstützung mangelt.

Die griechischen Medien waren historisch gesehen parteiisch: Fälle von Verlegern und Journalisten, die bestimmte Politiker bevorzugten oder eindeutig eine Politik unterstützten, die den Medieninhabern zugutekam, waren häufig, und die Drehtüren zwischen Journalismus und Politik drehten sich immer wieder. Dennoch waren diese Zugehörigkeiten nicht hieb- und stichfest und wurden auf vielfältigere und nuanciertere Weise zum Ausdruck gebracht. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Medien ihre politischen Partner kritisierten. Ihre Liste an Verfassern war weitaus vielfältiger. Und die Unterschiede zwischen sensationslüsternen Medien, die für gewöhnlich ihre gewählten Politiker priesen und ihre Gegner dämonisierten, und angesehenen Medien, die bestimmte politische Lager im weiteren Sinne vertraten, waren bemerkenswert. Die Situation war nicht ideal, aber sie war weitaus besser.

Nach 2010 und der Verschärfung der griechischen Schuldenkrise passierten viele Dinge gleichzeitig. Die historischen Widersacher im Zweiparteiensystem, die PASOK und die Neue Demokratie, schlossen sich zusammen, um ein Sparprogramm umzusetzen. Gleichzeitig brach eine große Zahl von Medienunternehmen zusammen, die keinen Anspruch auf fragwürdige Bankkredite hatten, zu denen sie in den vergangenen Jahren Zugang hatten. Einige wechselten die Eigentümer, da ältere Akteure verdrängt wurden und neue Akteure auftraten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, fanden sich die meisten Medien, die nach und nach entstanden, in der Unterstützung ein und derselben politischen Zielsetzung wieder.

Die SYRIZA-Ära

SYRIZA ritt auf der Welle der Proteste und der öffentlichen Unzufriedenheit mit den Sparmaßnahmen den ganzen Weg von ihrer Entwicklung zur wichtigsten Opposition im Jahr 2012 bis zu ihrer Machtübernahme im Jahr 2015. Da sie vor ihrem Regierungsantritt eine kleine Partei war, hatte sie praktisch keine Verbündeten in den großen Nachrichtenmedien, und die Unterstützung, die sie auf diesem Weg genoss, kam aus begrenzten und bisweilen unwahrscheinlichen Quellen, wie einer beliebten Comedy-Show im Fernsehen, einigen sensationslüsternen Websites, einigen kleinen alternativen Kanälen und ihren eigenen parteieigenen Medien, deren Reichweite vernachlässigbar gering blieb. Das einzige Medium, das aus der Krise herauskam, SYRIZA unterstützte und es schaffte, sowohl in den Mainstream einzutreten als auch einen Standard relativer Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten, war Efimerida ton Syntakton, eine Tageszeitung, die von einer Kooperative von Journalisten und Angestellten herausgegeben wird, darunter viele von der einst gefeierten moderaten linken Zeitung Eleftherotypia, die 2011 zusammengebrochen war.

Schon vor und sicherlich auch nach der Machtübernahme war klar, dass SYRIZA – oder zumindest seine führende Fraktion – beabsichtigte, nach dem Vorbild des bereits bestehenden Modells eigene Verbindungen zu den Medien zu knüpfen. Die kurze Annäherung an den Schifffahrtsmagnaten und Fußballvereinseigner Vangelis Marinakis scheiterte jedoch, als der Staatsrat die neue Gesetzgebung zur Regelung der Lizenzierung von Fernsehsendern revidierte und Marinakis keine Lizenz erhielt. Andere Bemühungen, wie der Ausflug des russisch-griechischen Geschäftsmannes Ivan Savvidis ins Verlagswesen, konnten weder ein beträchtliches Publikum anziehen noch finanziell rentabel werden. Die einzige Bemühung, die sich bis heute über Wasser gehalten hat, ist die Zeitung Documento, ein 2016 gegründetes Joint Venture zwischen Kostas Vaxevanis, einem altgedienten Investigativreporter, und Christos Kalogritsas, einem Geschäftsmann mittleren Kalibers mit Verbindungen zu SYRIZA. Nach dem Ausscheiden von Kalogritsas und dem Zerwürfnis mit SYRIZA, sechs Monate nach dem Start, wurde Documento unter der alleinigen Führung von Vaxevanis zum lautstärksten und aggressivsten SYRIZA-Anhänger in den Medien – was erklärt, warum das Unternehmen von der „Petsas-Liste” ausgeschlossen wurde.

Die überwältigende Mehrheit der Medien war vor 2015 für die Neue Demokratie, zwischen 2015 und 2019 entschieden gegen SYRIZA und ist heute eindeutig regierungsfreundlich, einschließlich der Medien im Besitz von Marinakis (der nach und nach zwei große Zeitungen, To Vima und Ta Nea, eine beliebte Nachrichtenwebsite, in.gr; und einen Fernsehsender, Mega Channel anhäufte), der Familie Alafouzos (SKAI TV und Radio und die Zeitung Kathimerini) und der Familie Vardinogiannis, die jetzt zwei von sechs nationalen Fernsehsendern besitzt. Neben der soliden Unterstützung, die die Regierung durch die führende Boulevardzeitung des Landes, Proto Thema, genießt, gibt es im Mainstream-Diskurs wenig Raum für Kritik. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ERT wird nun vom ehemaligen Pressesprecher des Premierministers geleitet, und es gab Vorwürfe, dass regierungskritische Geschichten zensiert werden.

Post-Covid-Fragen

Da das Parlament während des Lockdowns im Wesentlichen suspendiert war und die Nachrichtenberichterstattung massiv von den Entwicklungen in Bezug auf Covid-19 (was seine eigenen Mängel hatte) überholt wurde, spielte die Parteilichkeit der griechischen Medien eine noch stärkere Rolle. Geschichten über Regierungsaufträge, die unter nicht eindeutigen Umständen vergeben wurden, wurden nur in einer Handvoll unabhängiger, alternativer Medien veröffentlicht. Auch die Frage, wie die Regierung der Herausforderung begegnen würde, ein öffentliches Gesundheitssystem aufzubauen, das durch jahrelange Kürzungen ruiniert worden war, tauchte in der Mehrheit der Medien nicht auf. Fragen über die Umsetzung der Sicherheitsprotokolle der Regierung für Reisende aus dem Ausland waren weitgehend unbeachtet. Selbst der jüngste Ausbruch von Waldbränden wurde von den großen Fernsehsendern fast vollständig ausgeblendet, und nur wenige oppositionelle Sender fragten nach der Angemessenheit der Reaktion seitens der Regierung.

Trotz der Bemühungen von SYRIZA, die Bedingungen auszugleichen, sollte es offensichtlich sein, dass das Hauptproblem dieser Situation nicht darin besteht, dass Parteilichkeit und Voreingenommenheit zwischen den politischen Gegnern nicht gleichmäßig verteilt sind. Es ist vielmehr so, dass die Krise die in der Medienlandschaft bereits vorherrschende Parteilichkeit noch verschärft hat, so dass inzwischen die meisten Mainstream-Nachrichten, die veröffentlicht werden, unausweichlich „maßgeschneidert” sind, um eine bestimmte Parteitagesordnung zu unterstützen.

Die daraus resultierende Verschlechterung der Nachrichtenqualität sollte zumindest von Überwachungsbeauftragten angesprochen werden, die ethische Standards sichern würden. Aber die gibt es einfach nicht. Journalistengewerkschaften, die durch ihren mangelnden Schutz von Arbeitsplätzen während der Krise in Misskredit geraten sind, setzen ihre Disziplinarverfahren planlos ein und können ohnehin nichts gegen die große Anzahl an Journalisten unternehmen, die nicht ihre Mitglieder sind. ESR, die Aufsichtsbehörde für Rundfunk und Fernsehen, verhängt nur selten Bußgelder, die oft in keinem Zusammenhang mit Nachrichten stehen, und geht nie auf systemische Probleme ein. Und es gibt überhaupt keine ähnliche Behörde zur Überwachung der Ethik in Print- und Online-Medien.

Man könnte meinen, dass diejenigen, die sich in erster Linie dagegen wehren sollten, die Journalisten sein sollten. Das stimmt, aber es gilt auch zu bedenken, dass zehn Jahre Entlassungen und Tausende von verlorenen Arbeitsplätzen, stetig sinkende Besucherzahlen und Einnahmen, sehr viele überarbeitete und unterbezahlte Journalisten, die ständig mit Parteilichkeit und Voreingenommenheit von den Verlegern konfrontiert sind , ihren Tribut gefordert haben.

Der Widerstand ist aus dem griechischen Journalismus so gut wie verdrängt. Es gibt einige, wenige in den Mainstream-Medien, mehr in kleinen unabhängigen Medien und Arbeitsgruppen, die danach streben, Journalismus im öffentlichen Interesse zu produzieren. Eine internationale Diskussion über die Herausforderungen der Medien, die die Zwangslage der griechischen Medien ignoriert, hilft ihnen nicht weiter.

Aus dem Englischen übersetzt von Julia Rieser