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Das Thema der neuen Regeln für den privaten Medienbesitz ist in Polen erneut auf der politische Tagesordnung vorzufinden und hat im In- und Ausland erneut Besorgnis darüber geweckt, dass die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die kurz nach dem Wahlsieg 2015 die Kontrolle über den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender übernommen hat, versucht, die privaten Medien durch Anfechtung ihrer Besitzverhältnisse zu kontrollieren.

Im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie droht dies zusätzlichen Druck auf die privaten Medien in Polen in Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit zu erzeugen.

Polen verfügt über eine vielfältige private Medienlandschaft, die das gesamte politische Spektrum umfasst, angefangen von Zeitungen bis hin zu Fernsehsendern. Dazu gehören auch Kanäle, die ausländischen, oft deutschen Medienkonzernen gehören. Zu den einflussreichen Medien im Besitz ausländischer Konzerne gehören die Boulevard-Tageszeitung Fakt und die polnisch liberale Wochenzeitung Newsweek, die von dem schweizerisch-deutschen Ringier Axel Springer Polska herausgegeben werden, sowie der Privatsender TVN, der sich im Besitz der TVN Group befindet, einer Tochtergesellschaft des amerikanischen multinationalen Massenmedienunternehmens Discovery Inc.

Ausländisches Eigentum ist nicht auf landesweite Verkaufsstellen beschränkt; Polska Press, derzeit im Besitz der deutschen Verlagsgruppe Passau, gibt in Polen 20 regionale Tageszeitungen heraus.

Einige Politiker im regierenden Lager der PiS haben behauptet, dass Medien in ausländischem Besitz der derzeitigen Regierung absichtlich kritisch gegenüber stehen und forderten strengere Eigentumsregeln.

Politiker, die PiS angehören oder mit ihr verbündet sind, haben in Bezug auf die privaten Medien – ausländische oder inländische – zwei Begriffe verwendet.  Der erste Begriff, „Repolonisierung”, bezieht sich auf eine Begrenzung ausländischen Kapitals in polnischen Medienunternehmen (PiS-Politiker haben diesen Begriff auch im Zusammenhang mit Banken verwendet).

Der zweite Terminus, „Dekonzentration”, bezieht sich auf die Begrenzung der Anzahl an Medien, die ein einzelner Medienkonzern besitzen kann, wodurch größere Gruppen praktisch aufgelöst werden. Ein mögliches Ziel könnte das polnische Medienunternehmen Agora sein, der Herausgeber der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, das der Regierung stark kritisch gegenübersteht. Agora besitzt unter anderem auch eine Fotoagentur (Agencja Gazeta), einen Radiosender und einen Verlag.

Gespräche in PiS über „Repolonisierung” oder „Dekonzentration” gehen der Coronavirus-Pandemie lange voraus, aber das Thema verschwand von der Tagesordnung, als sich die Partei auf den Sieg einer Reihe von Wahlen zwischen 2018 und 2020 konzentrierte, die mit der Präsidentschaftswahl in diesem Sommer endeten. Es tauchte jedoch während dieses Wahlkampfes wieder auf, nachdem Präsident Andrzej Duda, der Kandidat der PiS-Verbündeten, der im Juli für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde, die Zeitung Fakt der Einmischung in die Wahlen beschuldigte. Fakt habe über eine Begnadigung berichtete, die Duda einem Mann gewährt hatte, der seine Strafe für einen Pädophilie-Fall verbüßt hatte.

„Will Axel Springer, ein deutsches Unternehmen, dem die Zeitung Fakt gehört, Einfluss auf die polnischen Präsidentschaftswahlen nehmen?  Das sagte Duda bei einer Wahlkampfkundgebung in der westlichen Stadt Boleslawiec am 3. Juli. Er fügte hinzu: „Wollen die Deutschen den Präsidenten in Polen wählen?”

Das Thema wurde vom Vorsitzenden PiS, Jarosław Kaczyński, aufgegriffen, der weithin als informeller Anführer des Landes gilt. In seinem ersten Interview nach der Wahl, das am 14. Juli veröffentlicht wurde, sagte er der polnischen Presseagentur, dass „die Medien in Polen polnisch sein sollten”.

„Wir haben trotz eines extrem harten Wahlkampfes gewonnen, in der die Regeln oft gebrochen wurden. Der Angriff auf uns wurde von einer mächtigen Medienfront koordiniert, die auch von außen inspiriert wurde”, sagte er mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen.

Obwohl keine offiziellen Pläne bekannt gegeben wurden, gab es Anzeichen dafür, dass die Partei die „Repolonisierung” als Teil einer gesetzgeberischen Offensive der Regierung diesen Herbst vorantreiben könnte, nachdem am 30. September eine lang erwartete Kabinettsumstrukturierung bekannt wurde. Beamte haben angedeutet, dass die Reformen den Anteil ausländischer Beteiligungen an Medienunternehmen begrenzen sollen und sich an der bestehenden Gesetzgebung in Frankreich und Deutschland orientieren würden.

Trotz des Mangels an Details haben die jüngsten Äußerungen von Kaczyński und anderen Politikern im Regierungslager bereits in Polen und im Ausland Besorgnis ausgelöst.

„Es gibt bereits Pluralismus in den polnischen Medien. Die erzwungene Aufsplitterung der Medien wird die Meinungsfreiheit einschränken, da nur staatliche und kleine Medien überleben werden. Die polnische Gesellschaft würde nicht profitieren, weniger unterschiedliche Ansichten zu haben”, schrieb die US-Botschafterin in Polen, Georgette Mosbacher, am 28. August auf Twitter.

„Medienunternehmen zum Verkauf von Anteilen zu zwingen, wird Investoren wiederum zwingen, sich anderswo umzusehen. Das ist kein gutes Investitionsklima – das ist Zensur. Um ausländische Investitionen und eine starke Wirtschaft anzuziehen, ist Vorhersehbarkeit erforderlich”, fügte sie in einem zweiten Tweet an jenem Tag hinzu.

Aus dem Englischen von Julia Rieser übersetzt