Der exekutionsartige Mord an dem slowakischen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová schockierte die Slowakei, rüttelte die Politik des Landes auf und bewirkte den Rücktritt von Premierminister Robert Fico. Die von Kuciak hervorgebrachten Indizien, darunter posthum veröffentlichte Recherchen zu Verbindungen zwischen Vertrauensmännern Ficos und der italienischen Mafia, scheinen die vorherrschende Meinung zur staatlichen Korruption in der Slowakei zu belegen. Weniger klar ist, inwiefern der Vorfall die Meinung der Öffentlichkeit zur Rolle des Journalismus in einer freien Gesellschaft beeinflusst hat.
Obwohl der Mord an Kuciak durch seine Brutalität hervorsticht, reiht er sich in eine Serie von Attacken gegen die Presse ein, die nicht nur in der Slowakei, sondern in mehreren Ländern Mitteleuropas seit einiger Zeit gang und gebe sind. Hochrangige Staatsbeamte aus der Slowakei, Tschechien, Ungarn und Polen haben mit Worten als auch Taten regelmäßig versucht, aus den Medien ein Feindbild zu schaffen. Dass sich dies auch nach dem Mord an Kuciak nicht ändert, zeigt wie wichtig es den Regierungen erscheint, die Wächterfunktion der Medien zu untergraben.
Präsident Fico war in der Vergangenheit regelmäßig durch Anfeindungen der Presse aufgefallen, die Bezeichnungen „dreckige, anti-slowakische Prostituierte“, „schleimige Schlangen“ und „Klospinnen“ sind nur einige der Nettigkeiten, mit denen er die JournalistInnen bedachte. Zudem ignorierte der ehemalige Premierminister alle Medienvertreter, die ihm unfreundlich erschienen, berichtet Alena Kluknavská, Medienwissenschaftlerin am Zentrum für die Erforschung des Non-Profit-Sektors der Masaryk-Universität in Brünn, Tschechien.
Seine Regierung versuchte zudem, die Berichterstattung über Parlamentssitzungen einzuschränken, wobei Zulassungen für Reporter entzogen wurden, ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurde und die Pressevertreter nur in Begleitung an den Ausschusssitzungen teilnehmen durften.
“Er (Fico) mag weder kritische Fragen noch kritische Kommentare, was sich dadurch äußerte, dass er die Fragen mancher JournalistInnen unbeantwortet ließ und ihre Arbeit diskreditierte. Kein anderer Politiker tat dies“, sagte Miroslava Kernová, Redakteurin bei OMédiách.com, einem Portal das die slowakischen Medien beobachtet.
Ficos Methoden sind leider keine Ausnahme in diesem Teil Europas, in anderen Ländern gab es sogar noch gröberen Umgang mit der Presse. Der tschechische Präsident Miloš Zeman posierte zum Beispiel mit einer Gewehrattrappe, auf welche die Worte „Für Journalisten“ eingraviert waren. Ein anderes Mal scherzte Zeman mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, JournalistInnen sollte man „liquidieren“. Vor kurzem, noch während die Kontroversen zu Kuciaks frühzeitigem Tod diskutiert wurden, hatte Zeman seine Angelobung als Präsident genutzt, um bestimmte Medien gezielt zu kritisieren und beschuldigte sie, die „tschechische Öffentlichkeit zu manipulieren“. Unter anderem kritisierte er Economia, Herausgeber der führenden Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny und der liberalen Wochenzeitung Respekt, dafür, dass sie „uns täglich vorschreiben, wie wir uns benehmen sollen“. Zudem verspottete er die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders Česká televize (ČT). Der Milliardär und Gewinner der Parlamentswahlen von 2017, Andrej Babiš, der gerade mitten im Prozess der Regierungsbildung steckt, äußerte ähnliche Kritik. Die von Zeman und Babiš gewählte Rhetorik hat für Sorgen um die zukünftige redaktionelle Unabhängigkeit von Česká televize (ČT) gesorgt.
„Wir lehnen jede Art von Angriff gegen JournalistInnen und die Unabhängigkeit der Medien ab, vor allem nach den jüngsten Vorfällen in der Slowakei, und insbesondere die des Staatsoberhauptes der Tschechischen Republik“, sagte eine Sprecherin der Rundfunkanstalt ČT nach Zemans Ansprache.
Nur eine Woche danach hatte Victor Orbán, Premierminister von Ungarn, eine Ansprache gehalten, in der er die Medien als seine Gegner darstellte. „Wir sind konfrontiert mit Medienstellen, die von einheimischen Oligarchen oder ausländischen Konzernen gesteuert werden, mit angeheuerten, professionellen Aktivisten, aufmüpfigen Demonstranten, und einer Reihe von NGOs, die durch George Soros, einem internationalen Spekulanten finanziert und verkörpert werden“, wetterte er.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Machthaber in der Region andauernde Attacken gegen die Presse fahren, was aufgrund von Eigentumskonzentration der Medien und einem Anstieg an Fake News, verbreitet in den sozialen Netzwerken, die Feindseligkeit und das Misstrauen gegenüber der Presse immer weiter nährt.
Und obwohl Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der polnischen amtierenden Regierungspartei Recht und Ordnung (PiS), weniger verbale Attacken gegen die Presse gefahren hat als seine Nachbarn, bleibt auch Polen von der Tendenz nicht verschont. Präsident Andrzej Duda stellte sich in Sachen Medienfreiheit auf Seiten des US-Präsidenten Donald Trump. Am 18. Januar twitterte Duda: „Präsident Trump @realDonaldTrump äußerte sich gerade erst wieder über die Macht der Fake News. Vielen Dank. Wir müssen weiter gegen dieses Phänomen kämpfen. Auch Polen erlebt die Macht von Fake News hautnah. Europäische sowie US-Amerikanische Politiker bilden sich ihre Meinung aufgrund des unendlichen Flusses an Fake News über Polen.“
Früher konnte man derartige Äußerungen als kurzlebiges, wenn auch unverantwortliches politisches Kalkül abtun. Nach dem Mord an Kuciak scheint es aber, als würden solche Aussagen – wenn auch unabsichtlich – skrupellosen Machthabern den Weg dafür ebnen, Selbstjustiz walten zu lassen.
„Die Bürger richten sich nach den politischen Eliten“, sagt Alena Kluknavská.
Aus dem Englischen übersetzt von Benedikt Stuck.
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