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Die zweite Welle der Covid-19-Epidemie in Slowenien fällt mit falschen politischen Prioritäten, einer rücksichtslosen Haltung der Öffentlichkeit gegenüber dem Coronavirus und einer katastrophalen Kommunikation der Regierung zusammen. Zur gleichen Zeit sah sich das Team von Necenzurirano, einem slowenischen investigativen Nachrichtenportal, mit einem eigenen Problem konfrontiert: einer Reihe von SLAPP-Klagen, die von Rok Snežič, einem umstrittenen Steuerberater und selbsternannten Berater des slowenischen Premierministers Janez Janša, gegen sie eingereicht wurden.

Die Necenzurirano-Journalisten Vesna Vuković, Tomaž Modic und Primož Cirman sind keine Unbekannten, wenn es um rechtliche Schritte geht. Zusammen mit ihrer ehemaligen Kollegin Suzana Rankov wurden sie 2013 wegen Missbrauchs persönlicher Daten angeklagt, weil sie einen Bericht darüber schrieben, wie ein slowenischer Top-Geschäftsmann einem kroatischen Tycoon half, ein Geschäft zur Übernahme einer der größten slowenischen Einzelhandelsketten abzuschließen.

Fünf Jahre nach der ersten Klage ist noch kein einziges dieser Verfahren abgeschlossen worden. Sei es durch eine Reihe von Regressmanövern oder aufgrund der COVID-19-Pandemie, die die Arbeit der Justiz beeinträchtigte, es drohen den vier Journalisten nach wie vor finanzielle Schäden und sogar Gefängnisstrafen.

Eine SLAPP-Klage wie keine zweite

SLAPP-Klagen unterscheiden sich insofern von einer Standardklage, als dass das Ziel nicht notwendigerweise darin besteht, den Fall zu gewinnen, sondern das Gerichtsverfahren dazu zu nutzen, den Journalisten ausbluten zu lassen und Geld, Energie und andere Ressourcen abzuzapfen, bis die Journalisten aufhören, über eine Geschichte zu berichten. Oder um den Überwachungsjournalismus ganz zum Schweigen zu bringen.

Auf den ersten Blick scheinen die SLAPPs ein neues Konzept in der slowenischen Medienlandschaft zu sein. Doch während die Versuche, Journalisten und Absatzmärkte unter einem Berg von juristischer Arbeit zu begraben, neu sind, haben Gerichtsverfahren, die dazu dienen, Kritiker zu schikanieren und zum Schweigen zu bringen, in Slowenien eine traurige und lange Geschichte, die von bizarr bis geradezu beängstigend reicht.

Das vielleicht ungeheuerlichste Beispiel für Ersteres ereignete sich im Jahr 2016, als ein städtisches Unternehmen in Maribor einen Aktivisten auf 100.000 Euro verklagte und behauptete, er habe aufgrund der Nachforschungen des Aktivisten über Geschäftspraktiken seelisches Leid erlitten.

Am anderen Ende des Spektrums liegt der Fall Anuška Delić, die vom slowenischen Geheimdienst (SOVA) vor Gericht gezerrt wurde. 2011 veröffentlichte Delić eine Reportage über Verbindungen zwischen Mitgliedern des SDS, der Partei von Premierminister Janez Janša und dem slowenischen Ableger von Blood & Honour, einer Neonazi-Gruppe. Der Geheimdienst erhob Strafanzeige und behauptete, dass Delić geheime Informationen des Geheimdienstes verwendet habe, was die Journalistin bestritt. Die Absurdität der Vorwürfe dürfte auch diesen Fall auch in das SLAPP-Spektrum einordnen.

Am Ende wurden beide Fälle, wie auch zahlreiche andere, entweder abgewiesen oder fallen gelassen. Die Botschaft war dennoch jedes Mal klar: Hört auf mit dem, was ihr tut, sonst…

Kritiker zum Schweigen bringen

Es mag ein Zufall sein, aber Klagen, die darauf abzielen, die Kritiker zum Schweigen zu bringen, oder zumindest die Androhung solcher Klagen lassen sich bis zum Ausbruch der globalen Finanzkrise in Slowenien zurückverfolgen.

Bereits 2009, gerade als die Krise das Land zu verschlingen begann, drohte der frisch aus dem Amt des Premierministers verdrängte Janez Janša mit Klagen gegen Personen, die seine Politik offen und regelmäßig kritisierten. Konkret ging er gegen seine Kritiker vor, weil sie sein Bekenntnis zu den Prinzipien der liberalen Demokratie in Frage stellten.

Was im Zusammenhang mit dem Mundtot machen von Journalisten eine wichtige Rolle spielt, ist, dass der Premierminister den Weg für eine Methode geebnet hat, die – wenn sie nicht schnell zum Stillstand gebracht wird – wahrscheinlich zu einem Grundpfeiler endloser Versuche wird, die Medienfreiheit einzuschränken.

Delić warnte nach ihrer juristischen Tortur: „Die Änderungen im Strafgesetzbuch im Hinblick auf die Veröffentlichung von vertraulichen Daten sind willkommen”, schrieb sie 2015, „aber das Land braucht auch Schutzmaßnahmen für Personen, die leichtfertig vor Gericht geschleppt werden, während die Verantwortlichen bestraft werden sollten”.

Es ist klar, dass es Fälle gibt, in denen die journalistische Arbeit nicht dem Standard entspricht oder geradezu böswillig ist. Slowenien bildet hier keine Ausnahme. Das Petitionsrecht ist ebenso integraler Bestandteil einer gesunden Demokratie wie die Redefreiheit. Aber der stetige Strom an SLAPP-Klagen in den letzten zehn Jahren deutet darauf hin, dass die SLAPPs schnell zu einem unverzichtbaren Instrument werden, mit dem Journalisten zum Schweigen gebracht werden, sowohl aus geschäftlichen als auch aus politischen Interessen.

Das geschieht nach einem Jahrzehnt anhaltender Kritik an der Justiz und den Medien, vor allem aus der Richtung von Premierminister Janša und seinen Anhängern.

Ende Oktober 2020 beschuldigte er zum Beispiel unbegründet den gesamten slowenischen Mediensektor, die Reaktion der Regierung auf die zweite Welle der COVID-19-Epidemie zu untergraben. Dies löste heftige Reaktionen bei führenden slowenischen Medien sowie internationalen Medienorganisationen, darunter IPI, aus.

Seine Angriffe auf die Justiz gehen auch dann weiter, nachdem der Präsident der Republik ein Gipfeltreffen mit den Anführern aller Regierungsbereiche abgehalten und zum Abbau der Spannungen aufgerufen hatte.

Selten hat sich diese doppelte Missachtung der Medien und der Justiz mehr angenähert als im Fall Rok Snežič vs. Necenzurirano.

Necenzurirano: Der Versuch, unzensiert zu zensieren

Janša, Vorsitzender der Slowenischen Demokratischen Partei (SDS), der größten Partei in der Regierung, war nie nachgiebig, wenn es um die Presse und das Gerichtssystem ging.

Aber diese Position verhärtete sich merklich, nachdem er 2014 fast sechs Monate wegen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit Waffengeschäften, die unter dem Namen „The Patria Affair” bekannt sind, im Gefängnis verbracht hatte. Die Verurteilung wurde später aufgehoben.

Während dieser Zeit traf Janša mit Rok Snežič zusammen, der wegen Steuerhinterziehung eine Gefängnisstrafe verbüßte. Seitdem haben die beiden eine enge Beziehung aufgebaut.

Snežič war auch eine der Hauptfiguren in einer Reihe von Geschichten von Cirman, Vuković und Modic, in denen sie die Rolle von Snežič bei der organisierten Steuerhinterziehung mittels Einrichtungen in Bosnien-Herzegowina und seiner angeblichen Rolle bei einem dubiosen Finanzdeal für Janšas SDS-Partei schilderten.

Daraufhin reichte Snežič über einen Zeitraum von fast sechs Monaten, der bis in die erste COVID-19-Welle zurückreicht, insgesamt 39 Klagen gegen die drei Journalisten ein.

Da jedoch die Verbindungen zwischen Snežič und Janša gut dokumentiert sind, liegt das eigentliche Ziel dieser Klagen auf der Hand: Necenzurirano (unzensiert) Zeit, Energie und Geld für Anwaltskosten zu entziehen. Ironischerweise, um sie zu zensieren.

DNS, der wichtigste slowenische Journalistenverband, verurteilte diesen Schritt und unterstützte die Journalisten von Neceznzurirano. Dabei schlossen sich ihnen internationale Pressefreiheitsgruppen, darunter auch IPI, an, die den Schachzug als dreisten Einsatz der SLAPPs verurteilten.

Während die allgemeine Funktionsweise dieser Art von lästigen Klagen gegen die Medien gut dokumentiert ist, unterscheiden sich die Details von Staat zu Staat, selbst innerhalb der EU.

In Slowenien zum Beispiel gilt Diffamierung immer noch als Straftat, eine Tatsache, die regelmäßig von internationalen Gruppen für Meinungsfreiheit und Menschenrechte kritisiert wird. Aus diesem Grund konnte Snežič Gefängnisstrafen für die Journalisten von Necenzurirano fordern und nicht nur eine finanzielle Entschädigung, wie er es in einem Zivilverleumdungsfall hätte tun können.

Dies bedeutet nicht nur ein zusätzliches Maß an Stress und Sorgen für Necenzurirano und seine Journalisten, sondern auch einen finanziellen Vorteil für den selbsternannten Steuerberater der Regierung: eine deutlich geringere Gerichtsgebühr. Eine strafrechtliche Verleumdungsklage wegen übler Nachrede bringt dem Kläger nämlich bestenfalls ein paar hundert Euro zurück, während eine zivilrechtliche Klage erheblich teurer wäre.

Dieser Unterschied wird offensichtlich noch ausgeprägter, wenn man ihn mit 39 multipliziert, der Zahl der Einzelfälle, die Snežič gegen Cirman, Vuković und Modic vorgebracht hat. Dabei scheint Snežič seinen eigenen Rechtsrat befolgt zu haben, den er auf den Seiten eines SDS-nahestehenden Verlags erteilte, in dem er einem Leser riet, Strafanzeige in einem unabhängigen Fall einzureichen, gerade weil es viel billiger sei.

SLAPP: Ein beunruhigender neuer Trend

Wenn die Finanzkrise von 2008 die Medienlandschaft des Landes behindert und die Tore für die SLAPPs geöffnet hat, können wir nur Angst vor dem haben, was die COVID-19-Epidemie für die allgemeine Gesundheit des slowenischen Journalismus bedeuten wird.

Obwohl es kaum zu glauben ist, dass Snežičs Klagen sich als etwas andere als eine Zeit- und Geldverschwendung erweisen würden, könnten sie einen beunruhigenden neuen Weg für den SLAPP-Trend gegen Medien in Slowenien und anderen EU-Ländern ebnen, wo Verleumdung immer noch als Straftat angesehen wird.

In einem Umfeld, in dem sich die Medien bereits vor dem Ausbruch der COVID-19-Epidemie (deren volle Verwüstung wahrscheinlich noch bevorsteht) in Schwierigkeiten befanden, stellt die Möglichkeit billiger und schmutziger SLAPP-Klagen eine systemische Gefahr für die gesamte Medienlandschaft dar. In Verbindung mit koordinierten Versuchen, die Unabhängigkeit der Justiz zu demontieren, bedrohen sie die langfristige Gesundheit der slowenischen Demokratie.

Um es ganz unverblümt auszudrücken: Dies ist ein Wurmloch, das die slowenische Legislative, unabhängig von der politischen Zusammensetzung, so schnell wie möglich schließen sollte.

Aus dem Englischen von Julia Rieser übersetzt