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Als sie vor 20 Jahren die Abendnachrichten einschalteten, sahen sich viele Tschechen stattdessen mit einer Meldung des öffentlichen Dienstes konfrontiert, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass der Sender CT1 durch ein unautorisiertes Signal gestört worden war.

Die Krise, die bei Česká televize (CT) im Dezember 2000 ausbrach, führte dazu, dass der Dienst des öffentlichen Senders unterbrochen wurde, da Journalisten die Studios besetzten und ihr eigenes Nachrichtenprogramm produzierten. Mit der Aktion wurde gegen die Ernennung von Jiří Hodač zum Direktor des staatlichen Senders protestiert, der als Handlanger des mächtigen ehemaligen Premierministers und Präsidenten Václav Klaus galt.

Der neue Chef hielt einige Wochen lang durch und ernannte Jana Bobošíková – eine weitere mit Klaus verbundene Journalistin – zur Leiterin alternativer Nachrichtensendungen und um zu versuchen, die Sendungen der Rebellen zu stören, um sie aus der Frequenz zu drängen. Als jedoch Zehntausende zur Unterstützung der Journalisten auf die Straßen gingen und forderten, die Unabhängigkeit von CT zu verteidigen, trat Hodač zurück.

Zwei Jahrzehnte sind schnell vergangen, und die Befürchtungen wachsen, dass autoritäre Kräfte sich erneut an CT heranwagen. Es gibt temperamentvolle Leugnungen, aber die Taktiken sehen bemerkenswert ähnlich aus, während die Besetzung zum Teil die gleiche ist.

Radikal

Die Befürchtungen, dass der öffentlich-rechtliche Sender bedroht sein könnte, spitzten sich Mitte November zu, als der CT-Rat – ein 15-köpfiges Gremium, das gewählt wurde, um die öffentliche Kontrolle über den Sender auszuüben – seinen Beirat, die fünfköpfige Aufsichtskommission, entließ. Der Präsident und der Vizepräsident des CT-Rates, die mit diesem Schritt nicht einverstanden waren, traten umgehend zurück.

Rechtliche Anfechtungen sind in Vorbereitung, aber der verbleibende CT-Rat weist die Vorwürfe, die Entlassung sei rechtswidrig gewesen, zurück. Stattdessen hat der Rat zügig einen neuen Beirat ernannt.

Im Gegensatz zum Rat hat die Kommission Zugang zu allen Dokumenten bei CT. Es wird davon ausgegangen, dass nun Beweise gesammelt werden, die den Vorwurf stützen, dass der Sender ineffizient oder korrupt geführt wird, ein seit langem bestehender Angriffspunkt gegen das Management.

Während populistische und extremistische Politiker seit Jahren die „voreingenommene” Berichterstattung von CT kritisieren, kam die Kampagne zum zwanghaften Wechsel bei der Wahl der neuen Ratsmitglieder durch die Abgeordnetenkammer – das Unterhaus des Parlaments – im Frühjahr dieses Jahres richtig in Gang.

Fast 20 Kandidaten wetteiferten um sechs Sitze, und die regierende Ano-Partei trat hinter den Kulissen in Aktion und drängte die Abgeordneten dazu, gegen Kandidaten zu stimmen, die dem Generaldirektor von CT, Petr Dvořák, sympathisch gegenüberstehen. Dies trug dazu bei, mehrere sehr erfahrene Kandidaten zu verdrängen, darunter Michal Klíma, Vorsitzender des tschechischen IPI-Nationalkomitees.

Das öffnete auch einem mit der radikalen Rechten verbundenem Trio die Türe, das von Abgeordneten der rechtsextremen SPD, der kommunistischen KSCM und Teilen der Regierungsparteien gewählt wurde. Angeführt von der Ökonomin Hana Lipovská haben alle drei Verbindungen zu Václav Klaus jr., der hofft, dass seine neue rechtsextreme Partei Tricolor bei den für Oktober geplanten Wahlen ins Parlament einziehen wird.

Lipovská, die auch den Personen um den populistischen Präsidenten Miloš Zeman nahe steht, hat erklärt, dass sie für ihre Rolle im Rat auf die Vorschläge der engen Vertrauten Jana Bobošíková angewiesen ist. Analysten vermuten, dass der Präsident die Fäden zieht.

„Dies scheint eine populistische Front zu sein, die Unterstützung von radikalen Parteien aus dem gesamten politischen Spektrum erhält”, sagte Vladimira Dvořáková, Direktorin des Masaryk-Universitätsinstituts für Höhere Studien an der Tschechischen Technischen Universität. „Die Menschen, die in den Rat gewählt wurden, sind sehr politisiert und mit Extremisten verbunden, die versuchen, die öffentlichen Medien zu kontrollieren. Es gibt Bedenken, dass wir uns in Richtung Ungarn und Polen bewegen könnten”.

Auf die Straßen

Die Gegner dieser extremistischen Kräfte haben nicht lange gezögert, Alarm zu schlagen.

Obwohl es ihnen nicht gelang, die Wahl von Lipovská und ihren Handlangern zu blockieren, haben sich die liberalen Oppositionsparteien dafür eingesetzt, das Thema in den Medien zu platzieren. Der Senat – das Oberhaus des Parlaments, das von der Opposition kontrolliert wird – hat die Entlassung der Aufsichtskommission als rechtswidrig verurteilt und die Entlassung der verantwortlichen Mitglieder des Rates gefordert.

Das hat dazu beigetragen, die scheinbar banale Arbeitsweise der Verwaltungsorgane des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken und dem bedrohten Generaldirektor zu erlauben, den Fall vor Gericht zu vertreten.

„[CT] würde in dem Moment verwundbar werden, in dem sie aus politischen Gründen ihre Führung verliert”, warnte Dvořák bei der Entlassung der Kommission.

Auch zivilgesellschaftliche Gruppen stehen unter Beobachtung. Die Proteste vor dem Prager CT-Hauptquartier wurden von Milion chvilek angeführt, der von Studenten geführten Bewegung, die im vergangenen Jahr über eine Viertelmillion Menschen auf die Straße rief, um Zeman und irgendwann auch seinen Premierminister Andrej Babiš zum Rücktritt aufzufordern.

Der Vorsitzende Benjamin Roll sagt, dass die Pandemie die Bedeutung der Unabhängigkeit von CT verdeutlicht habe und dass die Entwicklungen im gesamten Mediensektor den Auftrag des öffentlichen Dienstes umso wichtiger gemacht hätten, vor allem angesichts der bevorstehenden Wahlen im nächsten Jahr.

„Die privaten Medien werden vollständig von Oligarchen kontrolliert, daher ist CT die einzige unabhängige Stimme, die übrig bleibt”, so Roll. „Und ohne freie Medien kann man keine freien Wahlen abhalten.”

„Es ist unklar, wann sie sich gegen Dvořák stellen könnten”, fügte Roll hinzu, „aber wenn er entlassen wird, wäre das ein ernsthafter Angriff auf die tschechische Demokratie. Es wird Zeit, auf die Straße zu gehen.”

Unerwartet

Die Bedrohung durch eine weitere, von Protesten unterbrochene Weihnachtszeit könnte jedoch dazu führen, dass Hilfe aus einer unerwarteten Quelle eintrifft.

Während Zeman Verbindungen zu einigen der neuen Kräfte des Senders hat und die Flammen weiter angefacht hat, beobachtet Premierminister Babiš die Ereignisse in aller Stille. Er scheint weder die Handlung zu orchestrieren, noch hat er etwas anderes getan, als Lippenbekenntnisse zu den Idealen der öffentlichen Medien abzugeben.

Obwohl er ein Zentrist ist, ist der milliardenschwere Premierminister ein Populist mit autoritären Tendenzen. Er zeigt wenig Geduld mit kritischen Journalisten und würde zweifellos eine gezähmte öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt begrüßen. Allerdings ist die Unterstützung für Ano aufgrund seines Umgangs mit der zweiten Welle COVID-19 bereits ins Schwanken geraten, und er braucht die Wähler im Vorfeld der Wahl nicht weiter zu provozieren.

„Das tschechische Fernsehen wird weithin als ein Eckpfeiler der Demokratie angesehen, und jeder erinnert sich an die Krise im Jahr 2000″, sagte Jiří. Pehe, ein politischer Analyst, der Direktor der New York University in Prag ist. Pehe war ein Berater des ersten tschechischen Präsidenten Vaclav Havel, der vor 20 Jahren die rebellischen Journalisten tatkräftig unterstützte. „Babiš weiß, dass eine vollständige Krise der CT riesige Proteste provozieren würde, ob mit oder ohne Pandemie. Und das will er ganz sicher nicht. Sollte es also zu einer Krise kommen, würde er auf jeden Fall eingreifen.

Das lässt jedoch das längerfristige Schicksal der tschechischen öffentlichen Medien in der Schwebe. Bevor die Parlamentswahlen die Zusammensetzung der Abgeordnetenkammer ändern, werden durch eine weitere Parlamentsabstimmung mehr neue Mitglieder in den CT-Rat berufen.

Vor 20 Jahren zwang die Krise der CT zu einem Umdenken, wie die tschechischen öffentlich-rechtlichen Medien geführt werden sollten. Damals wurde beschlossen, anstatt dass nur Politiker die Mitglieder des CT-Rates nominieren und wählen dürfen, das deutsche Modell, bei dem Nominierungen von anderen Gremien wie Gewerkschaften oder Bildungseinrichtungen eingeholt werden, übernommen werden sollte.

Doch wie der gegenwärtige Kampf zeigt, hat dieser Prozess, obwohl die politischen Parteien nach wie vor so stark involviert sind und so viel auf dem Spiel steht, immer noch Mühe, ausreichenden Schutz zu bieten.

Aus dem Englischen von Julia Rieser übersetzt.